Die Hans Christen AG, Zulieferin in der MEM-Branche hat seit über 70 Jahren einen Namen für höchste Präzision im Mikrobereich gemacht. Das KMU aus Herzogenbuchsee setzt dabei auf bestens ausgebildete Mitarbeiter, aktive Nachwuchsförderung, eine soziale Firmenkultur sowie höchste Agilität, um in einer zurzeit unsicheren Branche wettbewerbsfähig zu bleiben.
«Schuster bleib bei deinen Leisten» – seit ihrer Gründung befolgt die Hans Christen AG dieses Credo und hat es zu ihrem Erfolgsrezept gemacht. «Unsere Kernkompetenzen sind Getriebefertigungen und Zahnradherstellung. In diesem Bereich haben wir uns eine Nische geschaffen, denn es gibt nur ganz wenige Firmen, die in diesem Mikrobereich von 0,001 Millimeter arbeiten», erklärt Geschäftsführer Daniel Arn. Er führt das Unternehmen im bernischen Herzogenbuchsee bereits in der dritten Generation. Das KMU hat sich mit seiner Präzision im Mikrobereich auch international einen Namen gemacht.
Produziert werden kleine Meisterwerke in Metall, die sich perfekt einfügen und einwandfrei funktionieren, um das Grosse zum Laufen zu bringen. Dies sind Stirnräder, Schraubenräder, Zahnriemenscheiben, Kegelräder, Schnecken und Schneckenräder, Kettenräder, Zahnstangen und komplette Getriebe. «Unsere Spezialität sind flankengeschliffene Zahnräder von höchster Präzision. Das bedingt Professionalität auf allen Stufen und neuste Maschinen», betont Arn. Ob Zahnräder oder Rotationsteile, Prototypen oder komplette Baugruppen – produziert wird nach den individuellen Bedürfnissen der Kunden. Diese stammen mehrheitlich aus dem Maschinenbau (Textil- und Druckmaschinen, Pumpenhersteller) und der Automobilindustrie (Protypen). «Wir haben grosse Erfahrung in der Herstellung ganzer Baugruppen nach Serie. Ebenso ist die Bearbeitung hochwertiger Materialien eine unserer Stärken», sagt Arn. Abgerundet werden die Dienstleistungen des MEM- Unternehmens durch Bohr-, Fräs-, Dreh- und Schleifarbeiten auf CNC-Maschinen für einzelne Komponenten sowie aller Arten von Wärme- und Oberflächenbehandlungen.
Soziale Firmenkultur ist unabdingbar
Bei der Produktion haben messbare Qualität wie auch Termintreue, Zuverlässigkeit absolute Priorität. «Nur so können wir als Zulieferer und Lohnfertiger in der Maschinenindustrie wettbewerbsfähig bleiben und uns in unserer Branche abheben», sagt Arn. Zehn Prozent der Produkte werden nach Deutschland, Österreich und Frankreich exportiert, 90 Prozent geht indirekt in den Export. Das Unternehmen pflegt eine enge und gute Zusammenarbeit mit anderen mechanischen Betrieben, die im Zuliefererbusiness arbeiten. «Hier im Oberaargau ist eine reiche Maschinenindustrie an-gesiedelt. Dieser Standort mitten im Maschinenbau-Mekka ist deshalb optimal für uns, so haben wir kurze Wege und sind sehr flexibel – eine Bedingung um marktfähig zu bleiben.» Um den hohen Qualitätsansprüchen im Hightech Bereich gerecht zu werden sind nicht nur modernste computergesteuerte Messmaschinen, die permanent kontrollieren, was produziert wird, sondern auch bestens aus-gebildete Mitarbeiter, notwendig. «Unser Mitarbeiter sind die Träger unsres Know-how und deshalb die wichtigste Komponente im Betrieb. Sie werden bei uns oft speziell ausgebildet und bleiben lange im Betrieb», sagt Arn. Deshalb ist eine soziale Firmenkultur unabdingbar, die auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, modernen Teilzeitmodellen sowie weiteren Bedürfnissen der 40 Mit-arbeitenden Rechnung trägt. Unter Nachhaltigkeit versteht Arn aber auch umweltfreundliche Massnahmen wie LED- Beleuchtung in der gesamten Produktion oder Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Energie.
Nachteile im EU-Raum
Der Produktionsstandort Schweiz hat eine grosse Bedeutung für den Zulieferer. «Eine Verlagerung ins Ausland ist für uns keine Option, aber wir sind hier in der Schweiz auf gute Rahmenbedingungen angewiesen.» In diesem Zusammenhang macht Arn die Deindustrialisierung Sorge: «Wir haben bald nur noch Dienstleister – ein fragwürdiger Trend, wenn man bedenkt, dass klassisch produzierende Betriebe eine hohe Wertschöpfung bringen.» Deshalb wünscht er sich eine wirtschaftsfreundliche Politik, die sich zum Industriestandort Schweiz bekennt. «Es ist für uns mit einem grossen Aufwand verbunden im EU- Raum Geschäfte zu tätigen, beispielsweise Stahl einzukaufen oder ein Ersatzteil zu beziehen.
«Eine Verlagerung ins Ausland ist für uns keine Option, aber wir sind hier in der Schweiz auf gute Rahmenbedingungen angewiesen.»
Unser System ist so programmiert, dass dieser Handel über die Schweiz läuft, was zu unserem finanziellen Nachteil ist» Eine grosse Herausforderung sind auch die zunehmend unsinnigen bürokratischen Regulierungen. «Wir spüren diese in jedem Bereich. Es werden immer mehr Vorschriften, die uns Zeit und Geld kosten.»
«Wir müssen noch flexibler werden.»
Die wirtschaftliche Situation in der heterogenen MEM-Branche ist zurzeit nicht besonders rosig. Der Brexit, das Verhältnis China-USA und andere inter-nationale Ereignisse führen zu einer allgemeinen Unsicherheit. «Wir spüren das natürlich sofort. Dies hat zur Folge, dass unsere Kunden, speziell in der Automobilindustrie mit ihren Investitionen zurückhaltender sind», so Arn. «Seit dem letzten Frühling und Sommer sind unsere Aufträge stagniert oder rückläufig, was wir finanziell mit Frühpensionierungen ausgleichen konnten.» Ein zuverlässiger Indikator, woran sich der Vizepräsident von SWISSMECHANIC gerne orientiert, ist der bis jetzt stabile Einkäufer- Index, der ein wenig Licht am Ende des Tunnels erahnen lässt. Für die Zukunft ist Arn zuversichtlich: «Alles wird komplexer. Da-mit wir unseren Nischenplatz erfolgreich sichern können, benötigen wir gutes fundiertes Berufs-Kowhow und wir müssen noch flexibler werden. Konkret bedeutet dies, dass wir inner-halb der Produktion und Fertigung den Automatisierungsgrad erhöhen müssen, auch bei kleineren Stückzahlen.»
Corinne Remund